Montag, 23. August 2021

Lastenrad

Grade kocht das Thema Lastenradförderung bzw. Lastenräder im Allgemeinen in den sozialen Netzwerken hoch. Auslöser dazu war der Vorschlag von Bündnis 90/ die Grünen einer bundesweiten Lastenradförderung von bis zu 1000€. Ich war erst etwas hin und hergerissen ob ich mich dazu äußern sollte, bzw. ob es mit einem schnell vergänglichen Tweet damit getan wäre. Immerhin besitze ich selber kein Lastenrad und sehe dafür in meiner aktuellen Lebenssituation auch bei mir keinen Bedarf.

Dass sie selber keinen Mehrnutzen für sich an einem Lastenrad erkennen, trifft aber auch auf viele andere Menschen zu, was sie dann jedoch nicht davon abhält sich dazu zu äußern und ihre Position als allgemeingültig zu verbreiten. Das finde ich schade, weil es in meinen Augen schlichtweg zu kurz gedacht ist. Daher möchte ich hiermit auch mal meine Gedanken zu dem Thema teilen.

Von den Kritikern wird häufig bemängelt, dass ohne ausreichende Infrastruktur Lastenräder sinnlos seien. Merkwürdigerweise kaufen auch viele Menschen dicke SUVs obwohl die Infrastruktur der Städte auf diese Art der Fahrzeuge nicht ausgelegt ist. ;-)

Ok. Ich versuche mal ernst zu bleiben. Grundsätzlich ist es richtig, dass die aktuelle Situation auf unseren Strassen nicht optimal für Radverkehr im allgemeinen ist und es deutliche Veränderungen braucht um die Infrastruktur für Radfahrende sicher, zuverlässig und komfortabel zu machen. Ist das damit ein Gegenargument gegen Lastenräder? Ich finde nicht. Vielmehr zeigt es doch, dass es mehr als nur eine Baustelle gibt die man im Blick behalten sollte. Und mehr Radfahrende, egal mit welchem Rad sie unterwegs sein mögen, würden über kurz oder lang auch den Druck auf die Politik erhöhen die Infrastruktur diesbezüglich zu verbessern. Ähnlich wie es die Autolobby seit Jahrzehnten mit dem Ausbau von Autobahnen hierzulande gemacht hat.

Wer damit argumentiert solche Förderungen würden grundsätzlich nichts bringen, der sollte eventuell nicht zuerst diese bisher noch nicht beschlossene Lastenradförderung, die im Bundeshaushalt von der finanziellen Höhe eher vernachlässigbar wäre, kritisieren. Da gäbe es durchaus andere Massnahmen die man sich anschauen sollte. E-Autos werden aktuell mit 9000€ bezuschusst, wobei die Autoindustrie schon seit Jahrzehnten durch massive Subventionen gefördert wird. Und von den Millliarden Subventionen an Kohle- und Atomstrom möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen. Verkehrswende um den Klimawandel zu bremsen? Ich würde dankend auf die diversen Förderprogramme bei Fahrrädern wie Jobrad, eRad-Förderung oder Lastenradförderung verzichten, wenn zeitgleich auch alle Förderungen und Subventionen an Kohlestromprduzenten und den auf fossile Kraftstoffe basierenden Automobilbereich umgehend eingestellt würden.

Ein anderer Kritikpunkt ist der, dass viele Menschen für sich selbst keinen Mehrnutzen in einem Lastenrad für erkennen. Da muss ich wohl bedingt zustimmen, da wir nicht alle die selben Lebenssituationen haben. Doch das muss ja eben nicht auf jeden zutreffen.

Für mich selber würde sich weder ein Lastenrad noch ein Kfz lohnen. Ich habe das Glück, dass ich in einer Großstadt lebe. Ich habe eine relativ gute Anbindung an den ÖPNV mit regelmäßigen Verbindungen nach Köln zu meiner Arbeit.
Hier vor Ort sind alle Geschäfte für mich problemlos in max. 5 Minuten fußläufig erreichbar.

Das war aber nicht immer so. Früher habe ich in einer eher ländlich geprägten Kleinstadt gelebt.
Zu Fuß zum Supermarkt brauchte ich knapp 20 Minuten, mit dem Auto fünf. Die meisten Einkäufe versuchte ich zu Fuß zu erledigen, jedoch grade bei größeren Besorgungen für den eigenen Haushalt oder die Arbeit wurde dann das Auto genutzt. Selbst größere Satteltaschen am Rad wären dann einfach überfordert gewesen.
Aber es wäre ein ideales Szenario für ein Lastenrad gewesen. Knapp 10 Minuten Fahrzeit. 2 Getränkekästen und Großeinkauf. Anschließend vielleicht noch zum außerhalb gelegenen Biohof ein paar frische Lebensmittel besorgen.
Wären Lastenräder damals schon so gut verfügbar gewesen wie sie es heutzutage sind, hätten wir wahrscheinlich über einen Kauf nachgedacht. Allerdings hätte so ein Rad für uns damals auch eine gewisse finanzielle Investition bedeutet. Mit einer Lastenradprämie wäre der Kaufentschluss deutlich leichter gefallen. Und wir hätten dadurch unser Auto viel öfter stehen gelassen weil wir schlichtweg nicht mehr so davon abhängig gewesen wären.

Heute lebe ich in Bonn. Die Lastenraddichte ist im Vergleich zu anderen Städten recht hoch. Und das trotz der leider oft noch mangelhaften Infrastruktur. Das hält die Menschen hier aber nicht davon ab ihre Wege mit dem Rad zu erledigen, ist es doch dennoch oft schneller als mit einem Kfz sich seine Weg durch die Innenstadt zu bahnen und einen Parkplatz zu finden. Die Lastenräder die ich dabei sehe werden teils geschäftlich genutzt. (Ein Supermarkt liefert ausschließlich damit die Bestellungen an seine Kunden aus. Aber es sind auch Handwerker und andere Geschäftstreibende damit unterwegs. Es gibt sogar einen Therapiehund der per Lastenrad unterwegs zu seinen "Geschäftsterminen" ist!) aber es sind vielmehr Menschen unterwegs die damit ihre Kinder transportieren, die Einkäufe auf dem Wochenmarkt oder in den Geschäften erledigen, Ausflüge machen oder ganz allgemein einfach ihrem täglichen Leben nachgehen.

Wenn man angesicht des immer schneller voranschreitenden Klimawandels eine Verkehrswende zu nachhaltigeren und klimafreundlicheren Verkehrsmitteln als notwendig erachtet, dann sollte meiner Meinung nach an allen Stellschrauben gedreht werden die uns zur Verfügung stehen. Eine Lastenradförderung mag vielen dabei nur wie ein schlecht gezielter Tropfen auf den heißen Stein erscheinen. Aber es ist eine Stellschraube die wir schnell angehen könnten und die den Alltag vieler Leute durchaus verändern könnte.