Donnerstag, 31. Mai 2018

Wir sind der Verkehr!

"Helm! Sehr gut!" Das war mein erster Gedanke als mein Kopf gegen die Stoßstange knallte. Ich war auf dem Weg nach Hause als mir ein Autofahrer die Vorfahrt nahm. Ich war nicht schnell unterwegs, ich fuhr auf meiner Straßenseite, in einer Fahrradstraße und ich war bremsbereit. Das hat nichts genützt. Der Autofahrer hatte mich schlichtweg nicht wahrgenommen. Gesehen hatte er mich sehr wahrscheinlich, denn er fuhr geradewegs auf mich zu bevor er dann plötzlich vor mir abbog. Mein Ausweichmanöver verhinderte nur den direkten Zusammenstoß mit seinem Auto, aber nicht den Sturz. Den hatte er vermutlich weder gesehn noch wahrgenommen, denn er fuhr einfach weiter und ließ mich auf der Straße liegen. Zum Glück blieben außer zerissener Kleidung, einigen Abschürfungen an Armen und Beinen kaum bleibende Schäden.

Das war nicht meine erste gefährliche Situation als Radler mit Autofahrern. Und ich hab auch schon genug kritische Situationen mit anderen Radfahrern erlebt. Aber diesmal war es das erste Mal, dass es bei mir auch hätte anders ausgehen können. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Mehr als zuvor eh schon.
Ich bin bestimmt kein Unschuldslamm im Straßenverkehr. Ich wurde beim Autofahren schon mal geblitzt und hab auch schon ein Knöllchen fürs falsch Parken kassiert. Und auch mit dem Rad war ich nicht immer 100% StVO konform unterwegs. Man könnte jetzt also behaupten ich wäre nicht in der Position hier lautstark einen auf Anstandswauwau zu machen und den Moralapostel zu spielen. Und das möchte ich auch nicht.

Aber bei dem Unfall ist mir eine Sache aufgefallen und bewusst geworden. Der Autofahrer hatte mich nicht wahrgenommen. Man hört das ja oft, "ich hab den einfach übersehen", aber das trifft es nicht. Denn ich war ja direkt in seinem Blickfeld. Gesehen hatte er mich also. Nur er hatte mich offenbar nicht als Teilnehmer im Straßenverkehr wahrgenommen und damit für sich in seiner Wahrnehmung wohl ausgeblendet. Und je mehr ich darüber nachdenke ist das wohl das Hauptproblem was das Rad hier in Deutschland hat:
Das Fahrrad wird hier in Deutschland nicht als Verkehrsmittel wahrgenommen!

Und zwar weder von Autofahrern noch von den Radfahrern selber. (ja, es gibt natürlich immer Ausnahmen)
Das Rad scheint in Deutschland vor allem unter zwei Gesichtspunkten wahrgenommen zu werden. Als Sportgerät und als Freizeitgerät. Aber nicht als Verkehrsmittel. Und das hat Folgen.

Als reines Sportgerät, egal ob bei Rennradfahrern, Mountainbikern oder dem 08/15 Großstadt-Hipster, der flott unterwegs sein möchte, wird das Rad auch sportlicher bewegt. Und das hat zur Folge, dass manche eher ihr sportliches Ziel im Auge haben und die Regeln des Straßenverkehrs (z.B. Rote Ampeln, die ja total den Schnitt versauen) eher als Hindernis ansehen. Und z.B. die Ausstattung an Reflektoren etc. die laut StVZO vorgeschrieben ist, findet sich auch eher nur vereinzelt. Bei anderen Verkehrsteilnehmern erstreckt sich der Wahrnehmungsbereich dieser Sportler von Verwunderung bis hin zum Ärgernis "Was der hier jetzt auf der Straße trainieren muss! Das kann der auch woanders machen!" Nein, kann er nicht. Muss er auch nicht. Der darf das nämlich! Zumindest solange er sich an die Verkehrsregeln hält. Und selbst wenn nicht, ergeben sich damit auch keine Vorrechte des Autofahres gegenüber dem Radfahrer. Autofahrer und Radfahrer sind beide Verkehrteilnehmer. Beide bewegen ein Verkehrsmittel im öffentlichen Raum!

Und dann währe da noch die Wahrnehmung des Rades als Freizeitgerät. Ich finde es ja grundsätzlich gut, wenn Leute sich einmal im Jahr an einem Sonntagnachmittag aufs Fahrrad setzen um die 5km zur Eidiele zu radeln. Oft is das ja die einzige körperliche Bewegung die viele Menschen gefühlt heutzutage noch machen. Aber, in dem Moment wenn man sich aufs Fahrrad setzt und sich im öffentlichen Raum befindet, bewegt man ein Verkehrmittel. Das ist genauso als ob man im Auto sitzt und den Schlüssel dreht. Dann kann man auch nicht einfach lustig machen was man möchte. Ja, ich weiß, hier in Deutschland wirken viele Radwege nicht gerade wie Verkehrsstraßen. (Das liegt wohl dran, weil viele Städteplaner auch Fahrräder immer noch nicht gänzlich als Verkehrsmittel wahrgenommen haben) Aber unabhängig davon gilt auch auf Radwegen ein Rechtsfahrgebot, insbesondere wenn der Weg für beide Fahrtrichtungen freigegeben ist. Und wenn der Weg zu schmal ist, muss man halt mal hintereinander fahren. Ja, ich weiss. Das klingt komisch. Beim Spazierengehen auf dem Bürgersteig macht man ja auch keine Polonaise. Aber sitzt man auf dem Fahrrad bewegt man ein Verkehrsmittel, auch wenn man es sozusagen nur zum "Spazierengehen" nutzt. Und damit sollte man sich auch an gängige Regeln halten. Oder zumindest damit rechnen, das man eventuell überholt wird oder das einem jemand entgegen kommen könnte. Auch als Freizeitradler muss man Rücksicht auf andere nehmen. Und das bedeutet halt, auch kein Hindernis und erst recht keine Gefahrenquelle für andere Verkehrsteilnehmer durch das eigenen Fahrverhalten darzustellen. Also bitte fahren sie zügig weiter, es gibt hier nichts zu sehen...
Und auch wenn es noch so schön ist, auch auf Fußwegen hat das Rad erstmal nix zu suchen (außer man schiebt, oder es ist extra für den Radverkehr freigegeben). Ich fahr ja auch nicht mit dem Auto oder Motorrad durch die Fußgängerzone.
Und als Autofahrer der genauso zügig vorankommen möchte ist das natürlich schon doof, wenn da jetzt Omi und Opi oder die Familie mit Kinderfahrrad und Anhänger vor einem auf der Straße fährt. Die Straße ist eben nicht nur für die reine Abwicklung der Logistik da, sondern darf und soll auch für Ausflüge genutzt werden. Egal ob als Sonntagsfahrer mit dem Auto oder eben mit dem Rad. Und auch wenn der Radler da grade nur aus Freizeitvergnügen unterwegs ist, und der Autofahrer aus vermeintlich "wichtigeren" Gründen auf der Straße fährt, ergeben sich damit auch keine Vorrechte des Autofahres gegenüber dem Radfahrer. Autofahrer und Radfahrer sind beide Verkehrteilnehmer. Beide bewegen ein Verkehrsmittel im öffentlichen Raum! Ich wiederhole mich, aber man kann es nicht oft genug sagen.

Ja, das Fahrrad ist für manche Menschen nur ein Sportgerät, für andere eben nur ein Freizeitgerät. Aber egal ob wir jetzt selber auf dem Sattel oder im Auto sitzen müssen wir unsere Wahrnehmung davon erweitern! Das Rad ist Verkehrmittel. Als Radfahrer ist man Teilnehmer im öffentlichen Straßenverkehr mit allen Rechten und Pflichten. Und diese Rechte und Pflichten gelten auch dem Radler gegenüber. Ein Fahrrad ist nicht etwas, was ausnahmsweise mal auf der Straße unterwegs ist und was man deswegen auch mal schnell übersehen kann.

Fangt endlich an das Fahrrad als Verkehrsmittel zu sehen und auch als solches wahrzunehmen!
Vielleicht wird man dann nicht mehr so schnell "übersehen"...

Ich war Läufer

Nein, moment mal. Das ist so nicht richtig. Ich laufe immer noch und sehe mich auch weiterhin als Läufer an.
Es müsste vielmehr heißen "Bisher war ich nur Läufer".
Aber auch das trifft es nicht. So klingt es als ob Läufer zu sein nicht ausreicht oder keine besondere Bedeutung hat. Das hat es aber (zumindest für mich). Es ist ein kleiner aber feiner Unterschied in der Wahrnehmung der eigenen Person ob man nun sagt "ich gehe Laufen" oder "Ich laufe gern" oder ob man von sich sagt "Ich bin Läufer". Damit ist die Tätigkeit des Laufens nicht mehr nur ein schmückendes Beiwerk, sozusagen ein netter kleiner Bonus, ein Add-on, oder ein Hobby unter vielen. Vielmehr ist Sie ein integraler Bestandteil der eigenen Persönlichkeit. In diesem Sinne müsste ich sagen:

Ich bin Läufer! Und bin bin Radler!

Ich bin schon recht früh mit dem Rad gefahren. Ich erinnere mich noch wie ich es gelernt habe, auf der Straße vor dem Haus meiner Eltern. Mein Vater hat nach und nach die Stützräder meines kleinen Kinderrades immer etwas höher gebogen. Dadurch wippte ich dann anfangs noch leicht von Seite zu Seite, lernte aber schnell das Rad so aufrecht zu fahren, dass die Stützräder den Boden nicht mehr berührten. Irgendwann hab ich sie dann gar nicht mehr gebraucht.
Seitdem besaß ich immer mindestens ein Fahrrad. Die knapp 10 km zur Schule habe ich damals zumindest im Sommer mit dem Rad zurückgelegt. Und auch später pendelte ich öfters mit dem Rad zur Arbeit. Ein Fahrrad löste das andere ab. Vom normalen Straßenrad, über das erste Mountainbike in der 80ern, ein für damalige Verhältnisse leichtes Trekkingrad aus Alu, BMX-Räder, ein flottes Bahnrad mit starrem Gang... Ich hatte schon so einige Gefährte unter meinem Hintern. Und auch wenn ich mich immer für die verschiedensten Räder und deren Möglichkeiten begeistern konnte fehlte irgendwie ein Teil des Puzzles. Bisher bin ich nur "Rad gefahren", oder "mit dem Rad gependelt".

Vor ein paar Monaten stolperte ich dann durch Zufall über einen alten Stahlrahmen. Für relativ wenig Geld wechselte er den Besitzer und begleitete mich mit nach Hause. Ein alter italienischer Rennradrahmen aus Stahl. Blau lackiert, am Sattelrohr die Worte "il grande ciclismo" und am Unterrohr unverkennbar "Cinelli".
Der Rahmen wurde gereinigt und poliert. Ich begab mich auf die Suche oder vielmehr Jagd nach den passenden Teilen. So ein Klassiker möchte keine modernen Carbonteile verbaut bekommen, ebensowenig wie einfache Plastik- oder Aluteile aus China. Mal ganz abgesehen davon, dass so ein alter Rahmen auch noch ganz andere Maße hat und moderne Komponenten größtenteils gar nicht passen. Für den Vorbau und den Lenker wurde ich bei Cinelli selber fündig. Der Radsatz, Bremsen und die komplette Schaltung stammt von Campagnolo. Ein Mix aus Record und Nuovo Record Gruppe und damit zum Teil älter als der Rahmen selber. Nur beim Sattel wollte ich nicht auf Italien setzen. Mein Popo mag Brooks und ein handgefertigter Brooks Team Professional in der Farbe "honey" ist jetzt auch kein Stilbruch an meinem alten Rennrad.
Und während ich mit dem Aufbau meines Klassikers beschäftigt war reifte in mir die Idee einer Radtour. Nicht einfach eine kurze Fahrt zur nächsten Eisdiele. Auch kein Ausflug übers Wochenende. Nein, eine richtige, mehrwöchige Tour. Quer durch Europa. Nur mein Rad und ich (und natürlich viel zu viel Krempel der irgendwie transportiert werden möchte).
Die ersten Probefahrten wurden gemacht. Einzelne Teile wurden ausgetauscht oder nachjustiert. Die erste mehrtägige Tour stand an. Und wieder wurde geschraubt. Die Tageskilometer wurden mehr und mehr. Und ohne es zu merken verbrachte ich teils mehr Zeit im Sattel als auf meinen Laufstrecken. (Wie clever das ist, wenn man noch das ein oder andere läuferische Jahresziel hat, steht auf einem anderen Blatt)
Das Verhältnis von mir zum Rad hatte sich geändert. Und mein Verhältnis zum Radfahren an sich hatte sich gewandelt.

Ich fuhr nicht länger Rad. Ich war Radler. Genauso wie ich Läufer bin. Und das ist gut so.

Mittwoch, 23. Mai 2018

Food(t)loose

Mit diesem Titel ist nicht der Tanzfilm von 1984 mit Kevin Bacon und Lori Singer gemeint. Und erst recht nicht das Remake von 2011.
Vielmehr bieten meine Schwester und ich unter diesem Namen einen Kurs in ihrer Praxis an. In dem Kurs stellen die Teilnehmer und wir uns der Frage, was ein Fuß mit Ernährung zu tun hat.

Um es vorweg zu nehmen, es geht dabei nicht um Syndrome und weiterführende Erkrankungen wie sie z.B. als Folge von Diabetes auftreten können. Vielmehr geht es um die spannende Verbindung der Themen Ernährung und Bewegung.
Jeder Laufsportler und auch Wanderer wird bestätigen, dass lange Strecken mit leerem Bauch nicht wirklich Spaß machen. Aber nur wenn man weiter zurückblickt, erkennt man den tieferen Zusammenhang zwischen dem was wir essen und wie wir uns fortbewegen.

Der Ursprung des Menschen liegt irgendwo in Afrika. Doch bevor er sich in mehreren Wellen zu Fuß von dort aufgemacht hat um den Rest der Welt zu besiedeln waren einige Evolutionsschritte nötig. Denn der letzte gemeinsame Vorfahre von Mensch und Gorilla lebte vor etwa 9 Millionen Jahren noch überwiegend auf den Bäumen und bewegte sich durch Hangeln von Ast zu Ast fort.
Der Lebensraum dieses Vorfahren in der damaligen Warmzeit war durch dichte, zusammenhängende Regenwälder geprägt. Das üppige Nahrungsangebot bestand überwiegend aus Früchten. Alles an seiner Anatomie, von den Händen, über die langen Arme bis hin zu Kieferknochen und Zähnen war auf diese Lebensweise angepasst.

Vor etwa 7,2 bis 4,5 Millionen Jahren änderte sich das Klima. Ein verstärkter Temperaturrückgang am Ende des Miozän sorgte für einen Rückgang der Regenwälder und eine Ausbreitung von lichteren Waldgebieten. Das Nahrungsangebot an reifen Früchten schwand. Und für unsere baumbewohnenden Vorfahren wurde es zusehends schwieriger sich von Baum zu Baum zu bewegen. Mit der Zeit waren diejenigen im Vorteil, denen es leichter viel auch die größer werdenden Strecken zwischen den rettenden Bauminseln auf dem Boden zu überwinden und die ihr Nahrungsangebot um Blätter und Halme erweiterten. So gesehen hat die Geschichte unserer Vorfahren doch was mit dem Film Footloose zu tun, wo sich die Jugend mit ihrem Drang nach mehr Bewegung gegenüber den konservativen Kleinstadt-Einwohnern durchsetzt.

Aber erst vor etwa 4-2 Millionen Jahren haben sich unsere Vorfahren zu den ersten Hominiden entwickelt deren aufrechter Gang in fossilen Fußspuren eindeutig belegt sind. Durch den weiteren Temperaturrückgang mit verstärkter Trockenheit haben sich die einstigen Urwälder zu lichten Waldlandschaften entwickelt und Savannen immer weiter ausgebreitet. Unsere Vorfahren haben derweil nicht nur den aufrechten Gang recht gut gelernt um sich schnell und sicher in diesem Gelände zu bewegen. Sie haben auch ihre Speisekarte angepasst und verzehrten nun auch Wurzeln, Knollen, Samen und möglicherweise auch Nüsse.

Im Pleistozän, vor etwa 2,5 Millionen Jahren, als sich durch verstärkten Temperaturrückgang die Wüsten und Steppenlandschaften weiter ausgebreitet hatten, wurde der aufrechte Gang für unsere Vorfahren immer wichtiger. Knochen, Sehnen und Muskulatur veränderten sich über die Generationen hinweg derart, dass diese zweibeinige Fortbewegung sich auch in weiteren Aspekten gegenüber anderen Tieren von Vorteil zeigte. Die zweibeinige Fortbewegung ist energiesparender wie eine vierbeinige, verbraucht also weniger Kalorien und man kann größere Strecken überwinden. Zudem werden die Hände nicht länger zur Fortbewegung benötigt und können für andere Aufgaben, wie etwa zur Anfertigung und zur Nutzung von Werkzeugen verwendet werden. Damit kann man dann nicht nur besser nach Wurzeln graben. Lässt ein Raubtier Teile seiner Beute zurück, zum Beispiel die Knochen mit ihrem nährreichen Knochenmark, kann man sich so auch ohne Klauen und Reißzähne daran bedienen. Das so erweiterte und höherwertige Nahrungsangebot ermöglichte auch die Zunahme der Hirngröße.
Wer sich heutzutage mal anguckt, wieviel Strom ein Computer verschlingt kann sich gut vorstellen, dass etwas so leistungsstarkes wie unser Gehirn einiges an Energie benötigt. Auch wenn unser Gehirn, zumindest was den Energiebedarf betrifft, deutlich effizienter wie ein Computer funktioniert sind es doch bei uns zwischen 11 und 20 Prozent unseres gesamten Kalorienbedarfs.
Das sich so ein dicker Kopf in der Entwicklungssgeschichte als evolutionärer Vorteil zeigt ist ungewöhnlich. Vorher ging es doch hauptsächlich darum überhaupt irgendwie an Nahrung zu gelangen und durch die dafür notwendige Fortbewegung, möglichst wenig davon unnötig zu verbrauchen. Und dann fangen unsere Forfahren auf einmal an einen Großrechner durch die Gegend zu tragen. Das wirkt zunächst paradox. Aber dennoch hat sich dieser enorme Denkapparat durchgesetzt.

Und auch das hängt mit unserer Art der Fortbewegung zusammen. Etwa vor 1,9 Millionen Jahren war  unser Vorfahre homo erectus nicht länger der freundliche Baumbewohner wie seine und unsere Vorfahren. Dienten wir lange Zeit der Evolutionsgeschichte wohl hauptsächlich selber anderen Tieren als Abendessen, hatte sich das Blatt nun gewendet.
Homo erectus gilt als der erste Jäger in der menschlichen Geschichte. Und das 1,4 Millionen Jahre bevor die erste steinerne Speerspitze genutzt wurde und sogar 1,8 Millionen Jahre vor Erfindung von Pfeil und Bogen. Stellt Euch einfach mal vor, ihr hättet mit 16 Jahren den Führerschein gemacht, aber erst nach der Rente ein Auto bekommen. Da fragt man sich doch zu Recht, wie das in der ganzen Zeit dazwischen geklappt hat.
Zu verdanken hat das unser Vorfahre seinem einmaligen Körperbau der ihn zu einem perfekten Läufer machte und dem Hirn das ihm das abstrakte Denken und die soziale Zusammenarbeit in der Gruppe ermöglichte.
Sein Körper konnte sich länger in heißem Klima laufend fortbewegen wie der anderer Tiere. Der aufrechte Gang war nicht schnell, aber energiesparend. Die Konstruktion des Fußes aus Fußgewölbe, Bändern, Sehnen, Knochen etc. wirkte dabei wie eine Sprungfeder, die leistungsstärker war wie die Schaumstoffdämpfung moderner Laufschuhe. Die Schweißporen auf der Haut konnten den Körper runterkühlen ohne das er dafür stoppen musste. Unser Vorfahre musste ein Tier nur so lange hetzen, dass es vor Überhitzung irgendwann umkippte. Damit es sich das Tier nicht in den Schatten retten konnte koordinierte unser Vorfahre seine Aktion mit seinen Stammengenossen. Die Ausdauerjagd war geboren.

Seit etwa 190.000 Jahren ist nun der homo sapiens auf diesem Planeten zu Fuß unterwegs. Und bis ins letzte Jahrhundert wurde diese Ausdauerjagd zumindest von Einigen noch praktiziert. Die Geschichte des Menschen ist also zu großen Teilen auch die Geschichte von Läufern. Das wechselnde Nahrungsangebot hat unsere Vorfahren dazu gezwungen den aufrechten Gang zu lernen. Und der aufrechte Gang hat uns Zugang zu neuen Nahrungsquellen ermöglicht. Doch erst die Verbindung aus beidem ermöglichte uns den endgültigen Schritt das zu werden, was wir dank unserer Vorfahren heutzutage sind. Der perfekte Läufer.

Heutzutage schreitet die kulturelle Entwicklung schneller voran wie die evolutionäre Entwicklung. Das sorgt dafür, dass die Verbindung zwischen Fortbewegung und Ernährung scheinbar immer weniger an Bedeutung besitzt. Statt zu Jagen, reicht der Gang an den Kühlschrank. Oder sogar der Fingerdruck auf eine App um online eine Pizza zu bestellen. Und auch was wir essen ist nicht länger an Jahreszeiten oder regionale Verfügbarkeit geknüpft. Der Mensch ist ein unglaublich anpassungsfähiges Lebewesen. Nur zeigt sich mittlerweile, nicht zuletzt durch die wachsende Zahl an Zivilisationskrankheiten, dass wenn man diese Anpassungsfähigkeit strapaziert sich über kurz oder lang Probleme entwickeln können.

Welchen Einfluss die Ernährung und die Art und Weise unserer Bewegung aufeinander und auf uns haben ist ein spannendes und wichtiges Thema mit dem sich nicht nur Leistungssportler näher auseinandersetzen sollten.



DIE ZEHN GOLDENEN REGELN FÜR LÄUFER

Ich laufe bereits seit vielen Jahren. Ich habe viel ausprobiert, gezielt trainiert, Trainingspläne studiert, Bücher gelesen und gelernt. Ich habe meine Bestzeiten kontinuierlich verbessert und arbeite immer noch daran meine Grenzen zu verschieben. Ich laufe weiter wie jemals zuvor. Und ich habe gelernt, dass zwar Trainingstips wie “Laufe mit einer Schrittfrequenz von 180 Schritten pro Minute” oder “Setze deinen Fuß so und so bei der Landung auf” zwar ganz nett sind und auch ihre Berechtigung haben. Aber im Rahmen meines Trainings und meiner Entwicklung als Läufer habe ich gemerkt, dass es noch ganz andere “Regeln” gibt die jemanden zu einem besseren Läufer machen. Und auch wenn manche dieser Punkte auf den ersten Moment vielleicht banal erscheinen, sind sie in der Praxis doch schwieriger umzusetzen als man anfangs meint. Nehmt sie als Inspiration und vielleicht helfen sie Euch. 

DU BESTIMMST DIE REGELN
Niemand kann Dir sagen was richtig ist und was falsch ist wenn es um Dich geht. Jeder Mensch hat seine eigenen Grenzen, Stärken und Schwächen. Und es liegt einzig und allein an Dir diese herauszufinden, zu erkunden und zu verschieben. Du bist das Maß deiner Dinge. Regeln und Tips die Andere aufgestellt haben können Deine Inspiration sein, aber sie müssen es nicht. Mach Deine eigenen Regeln! Und wirf sie wieder über den Haufen wenn sie nicht passen. 

HÖR NICHT AUF ZU LÄCHELN
Lächel! Immer! Besonders wenn es hart und anstrengend wird! Du machst etwas, weil es Dir Spaß machst, nicht weil Dich jemand dazu zwingt. Wenn Du merkst, dass Du nicht mehr lächelst, frage Dich warum. Ist die Anstrengung so groß? Dann freu Dich, dass Du diese Grenze erfahren kannst! Lächelst Du nicht mehr weil Du etwas zu verbissen versuchst? Dann hör auf. Überleg Dir warum Du es unbedingt schaffen willst. Wenn Du wieder lächeln kannst mach weiter. Sonst hör auf Dich und mach Schluss für den Moment.

HÖR AUF DEIN GEFÜHL
Diesen Satz hört man oft. Und es ist schwerer als es zunächst klingt. Ich habe eine schwere Rückenverletzung gebraucht um zu verstehen, was es wirklich heißt auf seinen Körper zu hören. Und viele Sportler sind regelmäßig verletzt weil sie diese Regel nicht befolgen. Die schmale Grenze zwischen Anstrengung und Überforderung zu spüren ist eine Kunst für sich. Je besser Du deinen Körper kennst, seine Signale verstehst, umso besser wirst Du. Experimentiere. Genieße was Dir gut tut. Erkunde Deine Grenzen. Verschiebe sie. Hör auf den Schmerz. Ist es ein kurzer, vergänglicher Moment? Oder warnt er Dich? Hör auf Dein Gefühl, hör auf Deinen Körper hör auf Dich!

FINDE DEN RHYTMUS DEINES KÖRPERS
Wir werden im Alltag durch viele Dinge fremdgesteuert. Wecker, Fahrpläne der ÖPNV, Abgabefristen, Arbeitszeiten, Termine. Wenn Du für Dich trainierst, und Du trainierst nur für Dich, für niemand anderen sonst, dann finde Deinen eigenen Rythmus. Ein Trainingsplan kann ein tolles Werkzeug sein, aber die letzte Entscheidung über das wo, was und wann bestimmst Du. Hör auf Deinen Körper, was er will und was er braucht. Und folge diesem Rhytmus. Trainierst Du lieber Abends oder Morgens? Finde es heraus. Wenn Du läufst, experimentiere. Mach kleinere, schnellere Schritte, oder langsamere. Fühlt es sich schlecht an oder nur ungewohnt? Hör auf Dich und Deinen Körper. Finde Deinen Rhytmus! 

ENTSPANNE DICH
Die Faszien die unseren Körper zusammenhalten arbeiten am effizientesten wenn sie enstpannt sind. Aber sie reagieren nicht nur auf körperliche Belastungen, sondern auch auf Emotionen wie z.B. Stress. Umgekehrt können sie aber auch Stresshormone durch Bewegung abbauen. Lerne Dich und Deinen Körper komplett zu entspannen, auch wenn Du trainierst. Du wirst Dich länger und effektiver bewegen können und weniger Verletzungen erleiden. Sei nicht zu verkrampft bei dem was Du tust!

LERNE ZU SPIELEN
Bewegung ist Selbstzweck! Wenn Du Dich bewegst sei nicht zu verbissen und folge strengen Regeln. Sei spontan! Experimentiere. Springe, duck Dich, tänzel, kletter, balanciere, spiele! Was banal klingt trainiert Deinen Körper auf die vielfachste Weise und deinen Geist hält es wach und flexibel. 

DU KANNST NICHT ALLES PLANEN
Es muss nicht perfekt sein. Egal was Du machst lass Raum für Fehler und akzeptiere sie. Du hast das Laufshirt vergessen? Lass dein TShirt oder Hemd an! Du bist heute nur 9,98 Km gelaufen und keine 10km? Das sind 9,98 Km mehr als wenn Du nicht gelaufen wärst! Deine übliche Laufstrecke ist gesperrt und Du kannst nicht trainieren? Bleib flexibel. Es gibt mehr wie eine Strasse, einen Weg!
Denk immer dran: Absolute Perfektion kann man nicht verbessern. Damit ist Perfektion Stillstand. Und Stillstand ist langweilig. Erst Unregelmäßigkeiten machen alles interessant.

BLEIB AUFRECHT
Achte auf Deine Haltung. Sowohl die deines Körpers wie auch deines Geistes. Eine aufrechte Körperhaltung hilft Dir effektiver zu Laufen, durchzuhalten und dein Ziel im Blick zu behalten. Das Gleiche gilt für deinen Kopf. Bleib Dir und Deinen Vorsätzen treu und behalte Deine Ziele im Blick. Dann schaffst Du es sie zu erreichen.

WENN SCHLUSS IST, IST SCHLUSS. EGAL WAS DER PLAN SAGT.
Das gilt in beide Richtungen. Wenn der Plan sagt “Lauf 10km” und Du bist im Flow, dann gibt es keinen Grund bei 10km zu stoppen. Hör auf Dich! Und wenn Dein Gefühl Dir sagt, dass es jetzt reicht, gehe in Dich. Ist es nur ein flüchtiger Moment der wieder vergeht, oder solltest Du auf dieses Gefühl hören? Wenn es so ist, dann hör auf, egal was der Plan sagt. Du bist nicht der Plan. Der Plan bist Du! Schluss ist, wenn Du sagst, dass Schluss ist!



(Anmerkung des Autors: Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.beuteltiere.org


Dienstag, 22. Mai 2018

Und so beginnt es...

Mein lieber Sebastian,

Du kennst mich nicht, weil wir uns bisher nicht begegnet sind.

Aber ich kenne Dich. Ich erinnere mich sogar ziemlich gut an Dich. Wie Du aufgewachsen bist, welche Träume, Ziele und Ängste Du hattest. Vielleicht kenne ich Dich sogar besser als Du selbst, denn ich...
Ich bin Du!
Nicht dein aktuelles Du. Sondern der, der Du einmal sein wirst.
Während Du gerade noch mitten im Schul-Stress steckst und überlegst wo Dich Dein Weg einmal hinführen wird, habe ich das bereits alles erlebt. Du bzw. ich bin jetzt fast 40 Jahre alt und mein Weg bis hierher war nicht immer so gerade wie ich es mir gedacht habe...
Ich bin heute jemand ganz anderes. Vermutlich würdest Du mich nicht mal erkennen. Ich hab die Welt bereist und bin auf Berge geklettert. Ich bin hunderte von Kilometern gelaufen. Ich hab Sand- und Eiswüsten durchquert. Ich hab auf Vulkanen geschlafen und in dichten Wäldern. Ich habe Dinge gesehen und Menschen getroffen, die mich für immer verändert haben.
Dies alles wirst Du noch erleben. 

Und auch wenn Du das hier wohl nie lesen wirst, will ich Dir hier dennoch von deiner Zukunft erzählen...