Mittwoch, 16. Januar 2019

Upgrades als Lebensziel

Wer sich jetzt nicht zum ersten Mal hier auf diesen Blog verirrt, der hat vermutlich mitbekommen, dass ich für dieses Jahr zumindest in sportlicher Hinsicht gewisse Pläne habe. Ich bereite mich grade nicht nur auf mein allererstes Radrennen überhaupt, sondern damit auch gleich auf ein 1600km Ultrarennen im Selbstversorgermodus vor. Dass das kein asketischer Selbstfindungstrip wird, sondern auch die Ausrüstung einen wesentlichen Teil für ein erfolgreiches Finish ausmacht, steht außer Frage. Und dennoch frage ich mich wie sehr man dabei den Fetish fürs Equipment ausreizen muss. Damit meine ich nicht den grundsätzlichen Ansatz zu einer ultraleichten und minimalistischen Ausrüstung wie ich sie auch auf meinen sonstigen Touren forciere. Vielmehr frage ich mich wieviel Optimierung noch sinnvoll ist bzw. ab wann das nächste Upgrade nur noch zum Optimierungswahn verkommt.

Wenn ich mich in letzter Zeit mit anderen Radsportbegeisterten ausgetauscht habe, ging es früher oder später um mein Equipment und die Konfiguration meines Rades für mein anstehendes Rennen. Und oft genug wurde ich dann gefragt, warum ich diese Reifen wähle und nicht jene. Warum ich ein Akkulicht montiert habe und keinen Dynamo. Und warum ich überhaupt ein Gravelbike aus Alu für diese Tour nehme und kein leichtes Rennrad aus Carbon. Ich könnte mich jetzt in stundenlange Gear-Nerderei ergeben und die Vor- und Nachteile von diesem und jenem diskutieren. Aber um es kurz zu machen: Ich greife zunächst einmal auf das zurück was ich hier rumstehen habe. Und auch wenn evtl. manche Entscheidungen die zum Kauf oder Nichtkauf eines dieser Teile führten mittlerweile wohl überholt sein mögen, steht mir zumindest kurzfristig nichts anderes zur Verfügung. (Hätte ich damals schon gewusst, wie geil sich mein Sonder Camino fährt und wieviel Zeit und km ich auf seinem Sattel verbracht habe, hätte ich z.B. gleich die Titanversion plus Nabendynamo bestellt. Hab ich aber nicht.)
Natürlich werde ich mir noch das ein oder andere Teil für mein Equipment besorgen. Aber wie die Meisten verfüge auch ich nicht über ein unbegrenztes Budget. Damit stellt sich dann auch die Frage, wie wichtig ist mir dieses Rennen und wieviel bin ich bereit dafür zu investieren. Und auch nicht zuletzt, muss ich überhaupt etwas dafür investieren oder reicht nicht bereits das was ich besitze um mein Ziel beim Race around the Netherlands zu erreichen?

Die Bedingungen beim #RatN sind wie bei jeder ähnlichen Veranstaltung ziemlich spezifisch. Ich kann auch jetzt schon mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ich in naher Zukunft nicht an einer Veranstaltung mit den selben Rahmenbedingungen teilnehmen werde. Also wie präzise soll ich mein Equipment auf die zu erwartenden Bedingungen abstimmen. Bzw. wieweit kann ich mein Rad so auch noch für Touren nutzen, wie sie mir für die weitere Zukunft vorschweben? Und ohne, dass hier anschließend teure Bauteile rumfliegen die nur einmal genutzt wurden?

„Lerne das zu nutzen, was Du besitzt! Dann verfügst Du über mehr als Du brauchst.“

Diese Aussage mag sich banal anhören, aber sie beschreibt ziemlich gut meinen Ansatz wenn es um meine Tourenvorbereitungen geht. Neues, glänzendes Equipment hat einen gewissen Reiz. Aber bewährte und erprobte Ausrüstung, bei der man die Stärken und Schwächen kennt und weiß, dass man sich drauf verlassen kann, hat ihre eigenen Vorteile. Und auch wenn eine gewisse Sentimentalität rein objektiv betrachtet, ineffizient sein mag, so finde ich es doch schön wenn man es wertschätzen kann wohin einen ein Teil bereits begleitet hat. Sei es ein Fahrrad, Rucksack oder was anderes. Manchmal kommt man an den Punkt, wo man nicht nur anderen, sondern auch sich selbst einfach sagen muss: „Mir reicht das. Damit bin ich zufrieden.“ Das mag in unserer kapitalistisch geprägten und erfolgsorientierten Gesellschaft zwar etwas ungewohnt klingen, aber sind ewige Upgrades das einzige Lebensziel und der Drang zur fortlaufenden Optimierung die Erfüllung?

Ich werde beim Rennen um die Niederlande mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht auf einem 30 Jahre alten Hollandrad an den Start gehen. Aber ich werde mit ziemlicher Sicherheit auch nicht jede Schraube an meinem Rad durch eine gewichtsreduzierte Titanschraube ersetzen um minimale Vorteile herauszukitzeln. Das Rennen um die Niederlande ist ein Wettkampf vieler Teilnehmer. Aber es ist für jeden auch eine persönliche Herausforderung. Für mich steht letzteres im Vordergrund und daran werde ich mich in meiner Vorbereitung und im Rennen selber orientieren. Ob ich durch diese Entscheidung jetzt minimal schneller oder langsamer wie andere Teilnehmer sein werde, ist für mich damit erstmal nicht wichtig. Aber das heißt auch nicht, dass mir eine erfolgreiche Teilnahme an diesem Rennen nichts bedeuten würde. Was Erfolg für jemanden bedeutet, ab wann man zufrieden mit etwas ist und wieviel man bereit ist dafür herzugeben muss jeder für sich selbst bestimmen. Nicht nur bei einem Selbstversorgerrennen auf einer Ultradistanz.