Mittwoch, 9. Januar 2019

Wirre Gedanken zum #RatN

Das Race around the Netherlands (RatN) wird mein erstes offizielles Radrennen werden.
Schon eine Hausnummer wenn man sich die Dimensionen der Veranstaltung anguckt. Über 1600km in einer Etappe. Komplett als Selbstversorgerrennen organisiert, d.h. keine Verpflegungspunkte, keine Teamfahrzeuge und keine Etappenpunkte. Alles in einem Rutsch. Ob und wo man schläft, wie man sich verpflegt und was man bei einer Panne macht bleibt alles offen.

Ich fahre jetzt etwa seit einem Jahr mit dem Rad. Also, Radfahren hab ich natürlich schon als Kind gelernt, aber das engagierte, sportliche Fahren betreibe ich erst seit Anfang 2018. Und auch wenn ich jetzt schon einige tausend Kilometer in der recht kurzen Zeit runtergekurbelt habe und dazu auch mehrtägige und lange Touren im Sattel verbuchen kann, ist das RatN doch eine neue Erfahrung für mich.

Ich werde oft gefragt, wie ich mich darauf vorbereite. Was ich für eine Taktik fahren werde oder wie meine Ausrüstung aussehen wird. Und ganz ehrlich. Ich weiss es noch nicht. Nichts von alledem. Und gucke ich in den Kalender sind es bis zum Start nur noch genau 111 Tage! D.h. 3 Monate und 3 Wochen. Jeder halbwegs durchschnittliche Marathonläufer hätte mittlerweile sein Hotelzimmer gebucht und würde mitten im Trainingsplan stecken. Und ich? Naja...

Ok. Ganz so schlimm ist es nicht. Immerhin sitze ich recht viel auf meinem Bock und habe zum Jahresabschluss erst noch das Rapha Festive 500 erfolgreich zu Ende gebracht und das neue Jahr gleich noch mit einem GrandFondo, also einer Tour über 100 Kilometer, gestartet. Um meine Fitness mache ich mir also nicht so die Gedanken. Und in den 3 Monaten wird sich da auch noch was tun.

Meine Taktik? Naja, als erstes Radrennen, insbesondere über so eine Strecke, mache ich mir da keine Illusion. Erstmal ankommen. Da reicht ja schon ein blöder Defekt damit man das Rennen nicht mehr finishen kann. Aber als Letzter ins Ziel rollen möchte ich auch nicht. Eine Zeit von 6 Tagen halte ich für realistisch. Jeden Tag etwa 250 km runterkurbeln und genug Pause zum Regenerieren lassen. Nachtfahrten versuche ich erstmal aufs Nötigste zu begrenzen. Wenn alles passt, kann man ja zum Ende hin dann noch immer einen raushauen. Ich bin eh nicht der Typ der auf Wettkämpfe und Schw... Vergleiche steht. Ich mag das Abenteuer, persönliche Herausforderungen und Erlebnisse. Wer meine Touren kennt, weiß was ich meine.

Ich muss immer daran denken, wie sich die eigene Persönlichkeit auch in der Rennstrategie und im Fahrrad selbst widerspiegelt. Für mich steht Erlebnis ganz klar vor Platzierung. Was jetzt nicht heißen soll, ich würde nur gemütlich vor mich hinrollen. Auch bei meinen Trailläufen und -wettkämpfen stand für mich das Erlebnis immer ganz klar im Vordergrund. Und langsam war ich da nie.
Aber es muss insgesamt für mich passen. Ich könnte natürlich mit einem aufs Optimum zurechtgefeilten Zeitfahrrad wie einem Cervelo P5X an den Start gehen, das nötige Kleingeld vorausgesetzt, und versuchen eine Bestzeit herauszufahren. Aber hätte ich da Spaß dran? Nö, warscheinlich nicht. Das würde nur in eine Selbstkasteiung ausarten, zu der ich zwar durchaus in der Lage wäre, die mir persönlich aber keinen wirklichen Mehrwert geben würde.
Ich suche den Mittelweg, die Gegend sehen, Leute treffen, aber zugleich mit dem Rad dahingleiten und sich selber körperlich fordern.

Unter den Bikepacking-Rädern gibt es zwei Extreme die viel über ihre Fahrer aussagen. Das eine sind die auf Performance getrimmten (Straßen-)rennmaschinen mit Zeitfahrauflieger, minimalem Gepäck und ihren Reitern in aerodynamisch vorteilhaftem Lycra. Das andere Ende des Spektrums sind die Mountainbikes mit zusätzlicher Gepäckaufnahme an der Gabel, breiten Reifen und ihren bärtigen Fahrern in Karohemden.
Ok. Das sind natürlich nur Klischees. Aber an jedem Klischee ist auch ein Funke Wahrheit dran und die meisten Adventurebiker und Langstreckenradler finden sich irgendwo zwischen diesen beiden Polen wieder.
Mit meinem Gravelbike bin ich zumindest Radtechnisch ziemlich genau in der Mitte. Und auch wenn ich in den Niederlanden nicht unbedingt mit Stollenreifen an den Start gehen werde, möchte ich ungern auf den Komfort breiter Reifen verzichten. Ob ich bis dahin auf 650b Felgen und 47mm Reifen umgestiegen bin oder weiterhin auf meinem 700c Radsatz mit 40mm Gravelreifen fahre ist nicht zuletzt eine Frage des Budgets. Radfahren ist ein teures Hobby. Und ich muss jetzt nicht extra um evtl. 1-2 km/h schneller zu fahren mehrere hundert Euro investieren. Der SON-Nabendynamo in dem von mir favourisierten Radsatz wäre aber so oder so ein schöner Zugewinn. Na mal schauen...

Wenn ich mir mein Rad selbst so angucke gibt es da noch drei weitere Punkte die noch nicht abschließend geklärt sind.
Schutzbleche? Ja oder nein? Jetzt im Winter habe ich einfache, recht stark gekürzte Schmutzfänger montiert. Aber solange es höchtens nass und nicht schlammig wird, denke ich könnte ich drauf verzichten. Eine Sache weniger die klappern kann und unterwegs Probleme bereitet. Probleme habe ich mit meinem Licht nämlich schon genug.
Meine Supernova Airstream, die mich den Rest des Jahres sehr zuverlässig begleitet hat, steht nämlich unter Wasser. Bzw. es hat sich Kondesfeuchtigkeit in das Gehäuse geschlichen. Vom Kundendienst habe ich bei der nicht mal 6 Monate alten Lampe bisher noch immer keine Rückmeldung bekommen. Zur Zeit setze ich auch noch rein auf Akku-Lampen, was bei einem so langen Rennen wie dem RatN zu einer eigenen Herausforderung werden kann. Neben der Beleuchtung möchten ja auch Navi und Smartphone mit Strom versorgt werden. Mit meiner 20.000mAh Powerbank bin ich zwar grundsätzlich schonmal gut aufgestellt, erfordert aber auch einen ständigen Blick auf die Ladestandsanzeige. Sonst geht mir in der letzten Nacht der Saft aus und ich steh dann blöd rum. Auch hier wäre ein Radsatz mit Nabendynamo hilfreich. Ach ja, mal gucken...

Und dann habe ich hier noch so eine Pommesgabel, äh, ich meine natürlich einen Auflieger für meinen Lenker rumliegen. Sexy ist anders.
Und vielleicht ist es nur die Optik die mich stört. Aber ich sträube mich doch sehr mit dem Teil durch die Gegend zu rollen. Für alle, die nicht wissen, was ein Auflieger ist: Das ist so ein Anbauteil für den Rennradlenker, der gerne von Triathleten genutzt wird. Es gibt zwei Polster auf denen man die Ellbogen abstützen kann und nach vorne ragen verlängerte Griffe für die Hände raus. Man kann sich also quasi damit auf seinen Lenker legen.
Auf der Pro-Seite steht die bessere Aerodynamik, die Entlastung der Arme, Handgelenke und des Oberkörpers.
Aber der Auflieger nimmt auch einen Großteil meines Lenkers in Beschlag und damit von mir präferierte Befestigungsmöglichkeiten für Lampe und Fronttasche. Warum ist eigentlich jedes Zubehör das am Lenker befestigt werden soll so konstruiert, dass es idealerweise an der Stelle sitzen möchte, wo bereits was anderes verbaut ist? Navi, Lampe, Tasche, Handyhalter, Auflieger...
Zudem bin ich auch bei langen, mehrtägigen Fahrten immer recht gut ohne Auflieger zurechtgekommen. Das Bedürfnis meine Hände oder Arme zu entlasten hatte ich dabei nie. Das mag natürlich auch an meinem etwas breiteren und komfortableren Garvellenker liegen. Da ist selbst die Position in den Drops fast wie bei einem Hollandrad. Naja, fast... ;-)
Bei Brevets fahren die Meisten ja auch ohne. Das kann natürlich auch am (freundlich ausgedrückt) Traditionsbewusstsein vieler Rennradfahrer liegen, die so einem Schnickschnack mißtrauisch gegenüber stehen.
Ich vergleiche den Auflieger mittlerweile mit einem Rucksackhüftgurt. Geht man in ein Geschäft oder fragt erfahrene Wanderer hört man in 99% der Fälle ein Rucksackhüftgurt wäre unverzichtbar. Als erfahrenen Ultraleichtwanderer hab ich allerdings über die Jahre meine Gepäck so reduziert und die Ausrüstung dahingehend optimiert, dass ich auch auf langen Touren komfortabel ohne Hüftgurt zurechtkomme. Tatsächlich empfinde ich es in der Regel sogar als angenehmer. Vielleicht ist es so ja auch mit dem Auflieger. Lass alles weg, was Du nicht brauchst und optimiere lieber den Rest so, dass Du auch ohne diese Extras auskommst. Tja, wie werde ich mich wohl entscheiden...

Und dann ist da neben meinem Rad natürlich noch meine restliche Ausrüstung. Ob ich jetzt mit langer oder kurzer Radhose an den Start gehen werde, bzw. langes Trikot oder Kurzes plus Armlinge nutze, werde ich kurzfristig vom Wetterbericht abhängig machen. Wechselkleidung möchte ich eigentlich nicht mitführen. Höchstens ein paar trockene Schlafsachen. Und natürlich wird eine Regenjacke und für die Nachtfahrten eine obligatorische Warnweste eingepackt.
Mein Schlafsetup findet erfreulicherweise bequem in meiner 9 Liter Satteltasche von Apidura Platz. Dazu gehört eine körperlange Isomatte zum Aufblasen von Sea-to-Summit, ein hüftlanger Schlafsack von OMM plus passender Jacke die an den Schlafsack geknöpft werden kann. Und zu guter Letzt ein wasserdichter Biwacksack. In der Tasche hätte ich sogar noch Stauraum übrig um Wechselsocken, Kleidung und ein paar andere Kleinigkeiten unterzubringen. Sollte die Wettervorhersage sehr mies sein, würde ich noch ein kleines, kompaktes Zelt einpacken. Aber ich möchte erstmal ohne planen.
Das Werkzeug landet komplett in einer gut zugänglichen Werkzeugdose am Unterrohr. Damit habe ich noch Platz für zwei Flaschenhalter für je 0,75Liter.
Ob ich am Start meine Rahmentasche für die Verpflegung und evtl. Regenbekleidung etc. montiert haben werde, oder ob ich mit einer kompakten Fronttasche am Lenker besser klarkomme steht auch noch in den Sternen. Oder gar beides? Aber das wäre nach meiner momentanen Planung unnötig. Entscheidungen, Entscheidungen...

Es sind noch 3 Monate und 3 Wochen bis zum Start in Amerongen. Ich bin gespannt.